Monthly Archives: April 2014

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Bełżec 1

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Rudolf Reder

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Im August 1942 hatten wir noch kein abgetrenntes Ghetto in Lemberg.2 Einige Strassen waren ausschliesslich Juden vorbehalten. Sie stellten einen jüdischen Bezirk dar, der aus einigen Strassen im dritten Lemberger Bezirk bestand, zum Beispiel den Strassen Panieńska, Wąska, Ogrodnicka, Słoneczna und anderen. Wir lebten dort in Angst und litten unter ständigen Qualen. Zwei Wochen vor der Deportation redeten die Menschen schon allerorten über das kommende Unglück. Wir waren verzweifelt. Wir wussten schon, was das Wort „Aussiedlung“ bedeutete. Man erzählte sich, dass es einer der Arbeiter geschafft hatte, aus dem Todeskommando in Bełżec zu entkommen – einer von jenen, die die Kammern zu Beginn der Existenz des Todeslagers gebaut hatten, und er sprach über ein „Badehaus“, das in Wirklichkeit ein Gebäude mit Gaskammern war. Er weissagte, dass von denjenigen, die man mit Gewalt hineingedrängt hatte, niemand zurückkam.

Man erzählte sich auch, dass einer der Ukrainer, der dort mit dem Ermorden von Juden beauftragt war, seiner Freundin berichtet hatte, was dort in Bełżec vor sich ging. Seine entsetzte Freundin hielt es für ihre Pflicht, das Gesagte weiterzuverbreiten und die Verdammten zu warnen. So kam die Nachricht über Bełżec zu uns.3

Die Legende über Bełżec wurde so zu einer Wahrheit, die uns vor Furcht erzittern liess. Viele Tage vor dem 10. August liefen Menschen in Panik in den Strassen des jüdischen Bezirks umher und fragten sich gegenseitig: „Was können wir tun? Was können wir tun?“

Dann kam der 10. August. Am frühen Morgen blockierten Wachmänner alle Strassen, die aus dem Bezirk herausführten. Wenige Schritte voneinander entfernt patrouillierten Gestapo, SS und der Sonderdienst zu fünft oder zu sechst die Strassen.

Die ukrainische Miliz ging ihnen bereitwillig zur Hand. Zwei Wochen vorher hatte bereits Generalmajor Katzman4, der Hauptverbrecher von Lemberg und dem östlichen Kleinpolen [Małopolska], Stempel für einige Arbeitsplätze ausgegeben. Einige Arbeitgeber bekamen auch Stempel bei dem Polizeikommissariat am Smolki-Platz. Es waren nur einige wenige „Glückliche“. Die Mehrheit suchte in ihrer Todesangst nach irgendeiner Form der Rettung, nach irgendeinem Versteck oder einer Möglichkeit zur Flucht.

In der Zwischenzeit hatten Patrouillen einige Tage lang Haus um Haus durchsucht, jeden Schlupfwinkel, jedes Versteck kontrolliert. Einige Gestapo-Männer erkannten die Stempel an, andere aber nicht; jene, die keine Stempel hatten, und jene, deren Stempel nicht anerkannt wurden, wurden mit Gewalt aus ihren Häusern gezerrt – man erlaubte ihnen nicht einmal etwas Kleidung oder ein Stück Brot mitzunehmen. Als nächstes pferchte die Gestapo Massen von Menschen zusammen, und wer Widerstand leistete, bekam eine Kugel in den Kopf. Ich war in meinem Betrieb und arbeitete, aber ich hatte keinen Stempel – daher schloss ich die Tür ab und machte sie nicht auf, obwohl ich hörte, wie sie Menschen töteten. Die Gestapo trat die Tür ein, fand mich in irgendeinem Versteck, schlug mich mit einer Peitsche über den Kopf und nahm mich mit. Sie pferchten uns alle so eng in Strassenbahnen zusammen, dass wir uns weder bewegen noch atmen konnten und brachten uns zum Lager Janowska5. Es war schon Abend. Sie versammelten uns in einem engen Kreis auf einer grossen Wiese – wir waren 6.000. Wir mussten uns hinsetzen, und es war verboten zu stehen, sich zu bewegen oder auch nur einen Fuss oder einen Arm zu rühren. Ein Scheinwerfer war von einem Wachturm aus auf uns gerichtet. Es war so hell wie am Tag. Wir waren von bewaffneten Verbrechern umgeben und sassen unglaublich dicht beieinander, alle zusammen, Junge und Alte, Frauen und Kinder unterschiedlichsten Alters. Etliche Präzisionsschüsse fielen – irgendwer war aufgestanden, vielleicht wollte er sich erschiessen lassen.

So sassen wir die ganze Nacht. Es herrschte Totenstille. Weder die Kinder noch die Frauen weinten. Um sechs Uhr morgens befahlen sie uns, aus dem feuchten Gras aufzustehen und Vierergruppen zu bilden, und die langen Reihen der Verdammten gingen zum Bahnhof Kleparów. Gestapo und Ukrainer umstanden uns in dichten Reihen. Keiner konnte entkommen. Sie drängten uns auf die Rampe des Bahnhofs. Ein langer Güterzug wartete schon an der Rampe. Es waren fünfzig Waggons. Sie begannen uns zu verladen. Die Türen der Güterwaggons waren geöffnet worden. Die Gestapoleute6 standen an beiden Seiten der Türen – zwei an jeder Seite mit Peitschen in den Händen – und schlugen jeden, der einstieg, ins Gesicht und auf den Kopf. Die Gestapoleute schlugen ohne Ausnahme auf die Leute ein. Wir hatten alle Striemen im Gesicht und Beulen auf dem Kopf. Die Frauen schluchzten, die Kinder weinten und drückten sich an ihre Mütter. Unter uns waren auch Frauen mit Säuglingen. Als wir von der die Menschen rücksichtslos schlagenden Gestapo angetrieben wurden, stolperten wir übereinander. Der Einstieg war hoch, und die Menschen mussten heraufklettern und stiessen sich gegenseitig weg – wir waren selbst in Eile, wir wollten es hinter uns bringen. Ein Gestapo-Mann mit einem Maschinengewehr sass auf dem Dach eines jeden Waggons. Die Gestapo schlug die Leute und liess jeweils Hundert in einen Waggon. Es ging alles so schnell, dass es nicht länger als eine Stunde dauerte, um einige tausend Menschen zu verladen.

In unserem Transport waren viele Männer, eingeschlossen Angestellte mit verschiedenen Arbeitsbescheinigungen, die angeblich „sicher“ gewesen waren; kleine und grössere Kinder, Mädchen und Frauen.

Schliesslich versiegelten sie die Waggons. Eingezwängt in eine Masse zitternder Menschen standen wir eng aneinander; praktisch aufeinander. Es war stickig und heiss – wir wurden fast verrückt. Kein einziger Tropfen Wasser, kein Krümel Brot. Der Zug setzte sich um acht Uhr morgens in Bewegung. Ich wusste, dass der Heizer und der Ingenieur in der Lokomotive Deutsche waren. Der Zug fuhr schnell, aber uns kam es sehr langsam vor. Er hielt dreimal: in Kulików, Żółkiew und Rawa Ruska. Die Haltestationen waren vielleicht nötig, um den Zugverkehr zu regeln. Während der Zug hielt, kam die Gestapo von den Dächern und verhinderte, dass sich jemand dem Zug näherte. Sie gestatteten uns keinen einzigen Tropfen von dem Wasser, das Menschen aus Barmherzigkeit durch das kleine vergitterte Fenster denjenigen reichen wollten, die vor Durst in Ohnmacht fielen.

Wir fuhren weiter. Keiner sagte ein Wort. Wir wussten, dass wir in den Tod gingen, dass uns nichts retten konnte; wir waren apathisch, nicht einmal ein Stöhnen war zu hören. Wir dachten alle nur an das Eine: an eine Fluchtmöglichkeit. Aber es gab keine. Der Güterwaggon, in dem wir fuhren, war brandneu, das Fenster so eng, dass ich mich hätte nicht durchzwängen können. Es war anscheinend möglich, die Türen anderer Waggons aufzustemmen, da wir Schüsse hörten, die alle paar Minuten auf Flüchtende abgegeben wurden. Niemand sagte irgendetwas zu irgendjemandem, niemand tröstete die jammernden Frauen, niemand hinderte die Kinder am Schluchzen. Wir wussten es alle: Wir gingen in den sicheren und in einen schrecklichen Tod. Wir wünschten, es sei schon vorbei. Vielleicht gelang es jemandem zu flüchten. Ich weiss es nicht… Eine Flucht konnte man nur aus dem Zug wagen.

Gegen Mittag erreichte der Zug den Bahnhof von Bełżec. Es war ein kleiner Bahnhof. Um ihn herum standen Häuschen. Die Gestapo wohnte in diesen kleinen Häusern. Bełżec lag auf der Linie Lublin-Tomaszów, fünfzehn Kilometer von Rawa Ruska entfernt. Im Bahnhof Bełżec bog der Zug von der Hauptlinie auf ein Gleis ab, das noch einen weiteren Kilometer weiter verlief und direkt durch das Tor des Todeslagers in es hineinging. Ukrainische Bahnarbeiter lebten auch in der Nähe des Bahnhofs Bełżec; dazu gab es ein kleines Postamt. Ein alter Deutscher mit einem dichten schwarzen Schnauzbart stieg in Bełżec in die Lokomotive – ich weiss nicht, wie er heisst, aber ich würde ihn sofort wiedererkennen, denn er sah wie ein Henker aus. Er übernahm den Zug und fuhr ihn direkt in das Lager. Es dauerte zwei Minuten, um in das Lager zu kommen. Ganze vier Monate lang würde ich immer den gleichen Verbrecher sehen.

Das Gleis verlief durch Felder. Zu beiden Seiten war freie Fläche, kein einziges Gebäude stand dort. Der Deutsche, der den Zug in das Lager gefahren hatte, stieg aus und „half“. Er schrie und teilte Peitschenhiebe aus, um die Leute aus dem Zug zu treiben. Er ging persönlich in jeden Waggon und prüfte, ob jemand darin geblieben war. Er kannte alle Tricks. Als der Zug leer und kontrolliert war, gab er ein Zeichen mit seiner Flagge und fuhr den Zug aus dem Lager.

Das ganze Gebiet zwischen Bełżec und dem Lager war von der SS übernommen worden. Es war niemandem gestattet, sich dort aufzuhalten. Zivilpersonen, die versehentlich hineingerieten, wurden erschossen. Der Zug war auf einen Platz gefahren, der ungefähr einen Quadratkilometer betrug, und von zwei Meter hohen Eisenzäunen mit Stacheldraht umgeben war. Der Draht stand nicht unter Strom. Man fuhr durch ein weites Holztor mit oben an ihm angebrachten Stacheldraht auf den Platz. Neben dem Tor war eine Baracke, in der sich ein Wachposten mit einem Telefon befand. Vor der Baracke standen mehrere SS-Männer mit Hunden. Wenn ein Zug durch das Tor gefahren war, dann machte es der Wachmann zu und ging in die Baracke. Und dann fand der „Empfang des Zuges“ statt. Einige Dutzend SS-Männer öffneten die Waggons und schrien „los!“. Sie schlugen die Menschen mit Peitschen und Gewehrkolben aus den Zügen. Die Türen der Waggons waren einen Meter über dem Boden, und alle, die hinausgetrieben wurden – Junge und Alte gleichermassen, mussten herunter auf den Boden springen. Dabei brachen sie sich ihre Arme und Beine. Die Kinder taten sich weh, alle fielen, waren schmutzig, erschöpft und panisch. Zusätzlich zur SS waren die sogenannten „Zugsführer“ im Dienst. Das waren die [jüdischen] Aufseher des bestehenden jüdischen Todeskommandos im Lager. Sie waren normal gekleidet und hatten keine Lager-Abzeichen. Die Kranken, die Alten und die kleinen Kinder sowie alle anderen, die nicht ohne Hilfe gehen konnten, wurden auf Bahren gelegt und am Rand von riesigen Gräbern abgelegt. Der Gestapo-Mann Irrman7 erschoss sie dort und stiess sie dann mit dem Gewehrkolben in das Grab. Irrman war ein Spezialist, wenn es darum ging, alte Menschen und kleine Kinder zu töten – er war ein grosser Gestapo-Mann, dunkelhaarig und gutaussehend, mit einem normalen Gesichtsausdruck. Er lebte wie die anderen in Bełżec am Bahnhof, in einem kleinen Haus, ganz allein und wie die anderen ohne Familie oder Frau.

Er tauchte früh am Morgen im Lager auf, verbrachte den ganzen Tag dort und kümmerte sich um die Todestransporte. Sobald die Menschen ausgeladen waren, wurden sie auf dem Platz versammelt – eingekreist von bewaffneten askars [ukrainischen Wachmännern]– und Irrman hielt eine Rede. Es herrschte Totenstille. Er stand nahe bei der Menge. Jeder wollte zuhören; plötzlich keimte Hoffnung in uns auf: „Wenn sie zu uns sprechen, dann werden wir vielleicht weiterleben, vielleicht wird es irgendeine Arbeit geben, vielleicht…“

Irrman sprach sehr laut und deutlich: „Ihr geht’s jetzt baden, nachher werdet ihr zur Arbeit geschickt“. Das war alles. Jeder fasste sich und war zufrieden, dass man nun doch arbeiten sollte. Man klatschte. Ich erinnere mich an seine Worte, die er tagein, tagaus wiederholte, gewöhnlich drei Mal am Tag; er wiederholte sie die vier Monate über, in denen ich da war. Es war ein Moment der Hoffnung und der Täuschung. Für einen Moment atmeten die Menschen auf. Absolute Stille herrschte. Die ganze Menschenmenge ging schweigend weiter, die Männer direkt über den Platz zu einem Gebäude, auf dem in grossen Buchstaben geschrieben stand: „Bade- und Inhalationsräume“. Die Frauen gingen einige zwanzig Meter weiter zu einer grossen Baracke (30×15 Meter). Den Frauen und Mädchen wurde in diesen Baracken das Haar abrasiert. Sie gingen hinein, ohne zu wissen, warum man sie hineingeführt hatte. Die Ruhe und die Stille dauerten noch eine Weile an. Nachträglich sah ich, dass ihnen nur einige Minuten später schlagartig alles klar wurde – als man ihnen Holzschemel gab und sie in den Baracken aufreihte, als man ihnen befahl, sich zu setzen und acht jüdische Friseure (Roboter, schweigend wie ein Grab) zu ihnen kamen, um ihr Haar bis zum Schädel abzurasieren. Keine von ihnen und keiner der Männer, die auf ihrem Weg zu den Kammern waren, konnten noch irgendwelche Zweifel haben.

Sie gingen alle – bis auf einige wenige Männer, die man als notwendige Facharbeiter ausgewählt hatte. Alle von ihnen gingen in den sicheren Tod. Kleine Mädchen mit langen Haaren wurden zum Rasieren getrieben, während die kleinsten Mädchen, die kaum Haare hatten, direkt zusammen mit den Männer in die Kammern gingen.

Plötzlich – ohne ein Zwischenstadium zwischen der Hoffnung und der absoluten Verzweiflung – hörte man Jammern und Kreischen. Viele Frauen wurden vom Wahnsinn gepackt. Aber viele andere Frauen gingen ruhig in den Tod, vor allem die jungen Mädchen. In unserem Transport waren tausende Intellektuelle und Büroangestellte, viele junge Männer; aber die Mehrheit war – wie in allen weiteren Transporten – weiblich.

Ich trat auf dem Platz etwas zur Seite, zusammen mit der Gruppe, die man ausgewählt hatte, Gräber auszuheben, und ich sah wie meine Brüder, Schwestern, Bekannten und Freunde in den Tod getrieben wurden.8 Während man die Frauen vorwärts trieb, und sie nackt und rasiert wie Vieh zum Schlachter peitschte, ohne sie zu zählen, schneller, schneller – waren die Männer schon in den Kammern gestorben. Man brauchte etwa zwei Stunden, um die Frauen zu rasieren und genauso lange brauchte man, um den Mord vorzubereiten und durchzuführen.

Einige Dutzend SS-Männer benutzten Peitschen und scharfe Bajonette, um die Frauen zu den Gebäuden mit den Kammern und die drei Stufen zu dem Korridor hoch zu treiben, in dem askars 750 Menschen für jede Kammer abzählten.9 Frauen, die sich sträubten hineinzugehen, wurden von den askars mit dem Bajonett in den Körper gestochen, das Blut floss, und so wurden sie in den Höllenort getrieben. Ich hörte, wie sich die Türen schlossen, hörte das Stöhnen und die Schreie; ich hörte die verzweifelten Schreie auf Polnisch und Jiddisch, das herzzerreissende Wehklagen der Kinder und der Frauen und dann einen einzigen verzweifelten Schrei…. Das dauerte fünfzehn Minuten. Die Maschine lief zwanzig Minuten, und nach zwanzig Minuten war es sehr ruhig.10 Die askars öffneten die Türen von aussen, und ich – zusammen mit anderen Arbeitern, die wie ich aus früheren Transporten herausgenommen worden waren, ohne Tätowierungen oder Abzeichen – wir gingen zur Arbeit.

Wir zogen die Körper der Menschen, die vor kurzer Zeit noch am Leben gewesen waren; wir gebrauchten Lederriemen, um sie zu den riesigen, wartenden Massengräbern zu ziehen, und das Orchester spielte währenddessen. Es spielte von morgens bis abends.

Nach einer Weile kannte ich mich überall auf dem Gebiet gut aus. Das Gebiet lag in der Mitte eines jungen Kiefernwaldes. Der Wald war dicht – um den Lichteinfall noch weiter zu reduzieren, wurde ein Baum mit einem anderen festgebunden; so wurde die Dichte des Grüns um den Ort der Kammern erhöht. Hinter ihnen war die sandige Strasse, worauf die Leichen gezogen wurden. Die Deutschen hatten ein Dach aus Draht darüber ausgebreitet, worauf Laub gelegt wurde. Man wollte so das Gebiet vor Beobachtungen von Flugzeugen aus schützen. Der Teil des Lagers unter dem Blattdach lag im Dunkeln. Vom Tor aus betrat man einen grossen Platz. Die grossen Baracken, in denen das Haar der Frauen abrasiert wurde, standen auf dem Platz. Neben diesen Baracken war ein kleiner Platz, der von einem eng genagelten Bretterzaun umgeben wurde – er hatte keine einzige Ritze und war drei Meter hoch. Dieser aus grauen Brettern gemachte Zaun war direkt vor den Kammern. So konnte niemand sehen, was auf der anderen Seite des Zauns geschah. Das Gebäude, das die Kammern beinhaltete, war niedrig, lang und breit, aus grauem Beton, mit einem Flachdach, abgedeckt mit Dachpappe, darüber war ein weiteres Dach – ein Netz aus Laub. Von dem Platz gingen drei einen Meter breite Stufen ohne Gelände zu diesem Gebäude. Eine grosse Vase voller verschiedenfarbiger Blumen stand vor dem Gebäude. Auf der Wand stand deutlich lesbar geschrieben: „Bade- und Inhalationsräume“. Die Stufen führten zu einem dunklen Korridor, eineinhalb Meter breit und sehr lang. Er war völlig leer und bestand aus vier Betonwänden. Die Türen zu den Kammern öffneten sich nach links und rechts. Die Türen waren aus Holz und einen Meter breit, und man öffnete sie mit einem Holzgriff. Die Kammern waren völlig dunkel, hatten keine Fenster, und sie waren völlig leer. In jeder Kammer konnte man eine runde Öffnung von der Grösse einer Steckdose sehen. Die Wände und der Boden der Kammern waren aus Beton. Der Korridor und die Kammern waren niedriger als ein normales Zimmer, nicht mehr als zwei Meter hoch. An der entgegengesetzten Wand jeder Kammer waren auch Klapptüren, zwei Meter breit. Nach der Erstickung wurden die Leichen der Menschen aus ihnen herausgeworfen. Draussen am Gebäude war ein kleiner Schuppen, vielleicht zwei Quadratmeter gross, wo die „Maschine“ war: Es war ein mit Benzin betriebener Motor. Die Kammern waren eineinhalb Meter über dem Boden, und auf der gleichen Ebene der Kammern war eine Rampe an den Türen, von der die Körper auf den Boden geworfen wurden.

Im Lager waren zwei Baracken für das Todeskommando, eine für gewöhnliche Arbeiter und eine weitere für die sogenannten qualifizierten Arbeiter. In jeder Baracke waren 250 Arbeiter untergebracht. Die Schlafkojen waren zweistöckig. Beide Baracken sahen gleich aus. Die Schlafkojen bestanden nur aus Brettern mit einer geneigten Holzplatte für den Kopf. Nicht weit entfernt von den Baracken war die Küche und etwas weiter weg das Lagerhaus, die Verwaltung, Wäscherei, die Nähwerkstatt und schliesslich die herausgeputzten Baracken der askars.

Zu beiden Seiten des Gebäudes mit den Gaskammern waren Gräber – leere oder volle. Ich sah Reihen von Gräbern, die schon aufgefüllt und hoch mit Sand aufgeschüttet waren. Sie brauchten eine Weile, bis sie absanken. Immer musste ein offenes Grab als Reserve bereit stehen…

Ich war von August bis November 1942 im Todeslager. Das war der Zeitraum der Massenvergasung der Juden. Einige meiner Leidensgenossen, die wenigen, die es geschafft hatten, länger am Leben zu bleiben, sagten mir, dass die meisten Todestransporte in diesem Zeitraum waren. Sie kamen jeden Tag, ohne einen Tag Pause, meistens drei Mal täglich – jeder Zug bestand aus fünfzig Waggons, und jeder Waggon enthielt 100 Menschen. Wenn ein Transport nachts ankam, dann warteten die Opfer von Bełżec in den verschlossenen Waggons bis um sechs Uhr morgens. Durchschnittlich wurden 10.000 Menschen pro Tag getötet.

Manchmal waren die Transporte noch grösser und noch häufiger. Die Juden kamen von überall her – nur Juden. Es gab nie einen anderen Transport. Bełżec war nur dazu da, Juden zu töten. Die Juden wurden von der Gestapo, den askars und den „Zugsführern“ aus den Güterwaggons geladen; einige Schritte weiter, auf dem Platz, waren jüdische Arbeiter für die Entkleidung anwesend, und sie fragten mit Flüsterstimme: „Von wo seid ihr?“ Man antwortete ihnen flüsternd: aus Lemberg, Krakau, Zamość, Wieliczka, Jasło, Tarnów und so weiter. Ich sah das jeden Tag, zweimal, dreimal täglich.

Jeder Transport wurde genauso behandelt wie meiner. Man befahl ihnen, sich auszuziehen, die Sachen wurden auf dem Platz gelassen, Irrman hielt immer seine hinterlistige Rede – immer die selbe. Die Stimmung der Menschen besserte sich. Ich sah den gleichen Hoffnungsschimmer in ihren Augen. Die Hoffnung, dass sie arbeiten würden. Aber einen Moment später wurden die Kleinen von ihren Müttern weggerissen, die Alten und Kranken auf Bahren geworfen, Männer und kleine Mädchen mit Gewehrkolben weiter gestossen, weiter entlang des eingezäunten Wegs, der direkt in die Kammern führte; und die nackten Frauen wurden wurden genauso brutal zu den weiteren Baracken gesteuert, wo ihr Haar abrasiert wurde. Ich konnte genau sagen, ab wann jeder realisierte, was ihn erwartete, und wann sich der Schrecken, die Verzweiflung, die Schreie und das schreckliche Jammern mit den Klängen des Orchesters vermischten. Die Männer wurden zuerst mit Bajonetten voran getrieben, man stach auf sie ein, während sie zu den Gaskammern rannten. Die askars steckten 750 in jede Kammer. Bis alle sechs Kammer gefüllt waren, hatten die Menschen in der ersten schon zwei Stunden lang gelitten. Erst wenn alle sechs Kammern so dicht mit Menschen vollgepackt waren, dass man die Türen kaum schliessen konnte, wurde der Motor angelassen.

Die Maschine war eineinhalb mal einen Meter gross – sie bestand aus einem Motor mit einem Rad. Der Motor dröhnte in längeren Intervallen. Er lief recht schnell, so schnell, dass man die Radspeichen nicht auseinanderhalten konnte. Die Maschine lief genau zwanzig Minuten. Sie stellten sie nach zwanzig Minuten ab. Gleich danach wurden die Kammertüren, die auf die Rampe führten, von aussen geöffnet, und die Leichen wurden auf den Boden geworfen, und aus ihnen bildete sich ein mehrere Meter hoher Hügel. Die askars trafen keine Vorsichtsmassnahmen, wenn sie die Türen öffneten; wir rochen nichts Unangenehmes. Ich sah nie Gasbehälter oder dass man etwas zusetzte. Ich sah nur Benzinkanister. Man brauchte achtzig bis 100 Liter Benzin pro Tag. Zwei askars bedienten die Maschine. Aber als die Maschine einmal kaputt ging, holten sie mich – sie nannten mich den Ofenkünstler. Ich schaute die Maschine an und sah Glasröhren, die an andere Leitungen angeschlossen waren, die zu jeder Kammer führten. Wir glaubten, dass die Maschine entweder einen Überdruck oder ein Vakuum erzeugte oder dass durch dass Verbrennen des Benzins Kohlenmonoxid produziert wurde, das die Menschen tötete.11 Die Hilferufe, die Schreie, das verzweifelte Heulen der in den Kammern eingeschlossenen und erstickenden Menschen dauerte zehn bis fünfzehn Minuten – es war schrecklich laut; später wurde das Stöhnen leiser und schliesslich war alles ruhig. Ich hörte die verzweifelten Schreie und Rufe in verschiedenen Sprachen. Es waren nicht nur polnische Juden, es gab auch Transporte ausländischer Juden. Von den ausländischen Transporten waren die meisten französische Juden; da waren auch Niederländer, Griechen und sogar Norweger12. Ich kann mich an keine deutschen Juden erinnern. Jedoch gab es tschechische Juden. Sie kamen in Güterwaggons genauso wie die polnischen Judentransporte, aber mit Gepäck, gut ausgestattet und versorgt. Unsere Transporte waren voller Frauen und Kinder. Die Transporte mit ausländischen Juden waren zum Grossteil männlich, und es waren wenige Kinder unter ihnen. Die Eltern waren offensichtlich in der Lage gewesen, sie der Obhut ihrer Landsleute zu überlassen, und sie vor einem schrecklichen Schicksal zu bewahren. Die Juden aus dem Ausland kamen total ahnungslos in Bełżec an und waren davon überzeugt, dass Arbeit auf sie warte. Sie waren wie feine Leute gekleidet und sehr sorgfältig für die Reise ausgestattet. Das Verhalten der deutschen Verbrecher diesen Leuten gegenüber war genau dasselbe wie gegenüber den Juden aus anderen Transporten, und das Mordsystem war auch dasselbe. Sie starben genauso grausam und verzweifelt.

Zu meiner Zeit im Lager waren es vielleicht 100.000 ausländische Juden, und sie wurden alle vergast.13

Wenn die askars die verschlossenen Türen nach dem zwanzigminütigen Erstickungsprozess öffneten, standen die Leichen aufrecht, die Gesichter waren wie schlafend, sie waren nicht verzerrt und auch nicht blau – hier und da war Blut von den Bajonettstichen der askars – die Münder standen leicht offen, die Hände waren verkrampft und oftmals gegen die Lunge gepresst. Jene, die näher am Ausgang standen, fielen wie Schaufensterpuppen aus den weit geöffneten Türen heraus.

Alle Frauen wurden rasiert, bevor sie getötet wurden. Sie wurden in die Baracken getrieben, und der Rest wartete draussen, bis er an die Reihe kam – nackt und barfuss, sogar im Winter und im Schnee. Die Frauen fingen an zu weinen und Verzweiflung ergriff sie. Dann begann das Schreien und das Jammern. Die Mütter drückten ihre Kinder an sich, und sie waren kurz davor, den Verstand zu verlieren. Mein Herz brach jedes Mal – ich konnte das nicht mit ansehen. Die Gruppe der rasierten Frauen wurde weiter getrieben, und die nächsten liefen über das verschiedenfarbige Haar, das den gesamten Boden der Baracken wie ein weicher, dichter Teppich bedeckte. Wenn man alle Frauen aus dem Transport rasiert hatte, nahmen vier Arbeiter Besen aus Lindenzweigen und fegten das Haar zu einem grossen mehrfarbigen Haufen zusammen, der fast die Hälfte des Raums einnahm. Sie packten das Haar mit ihren Händen in Jutesäcke und lieferten es an das Lagerhaus.

Das Lagerhaus für das Haar, die Unterwäsche und die Kleidung der Gaskammer-Opfer war eine kleine separate Baracke, vielleicht sieben auf acht Meter. Die Habseligkeiten und das Haar wurden hier zehn Tage lang gesammelt, und nach diesen zehn Tagen wurden die Haar- und Kleidungssäcke getrennt abgepackt. Dann kam ein Güterzug und fuhr dieses Raubgut weg. Leute, die im Büro arbeiteten, sagten, dass das Haar nach Budapest gefahren werde. Vor allem ein Jude aus dem Sudetenland, ein im Büro arbeitender Anwalt namens Schreiber, gab diese Information weiter. Er war ein anständiger Mensch. Irrman hatte ihm versprochen, ihn in seinen Urlaub mitzunehmen. Einmal brach Irrman zu einer kurzen Ferienreise auf. Ich hörte, wie Schreiber ihn fragte: „Nehmen sie mich mit?“ Aber Irrman antwortete: „Noch nicht“. Er täuschte ihn auf diese Weise, und Schreiber starb bestimmt wie alle anderen. Er sagte mir persönlich, dass ein ganzer Güterzug voller Haarsäcke alle paar Tage nach Budapest abging. Zusätzlich zu den Haaren versandten die Deutschen körbeweise Goldzähne.

Auf dem Weg von den Gaskammern zu den Gräbern – also auf einer Strecke von einigen hundert Metern – standen mehrere Zahnärzte mit Zangen. Sie hielten jeden Arbeiter an, der Leichen schleppte, öffneten den Mund des Kadavers, schauten hinein, zogen das Gold heraus und warfen es dann in einen Korb. Es gab acht Zahnärzte. Die meisten waren jung – sie waren aus den Transporten geholt worden, um diese Arbeit zu verrichten. Einen von ihnen lernte ich besser kennen. Sein Name war Zucker, und er kam aus Rzeszów. Die Zahnärzte hatten ihre eigene kleine Baracke, zusammen mit dem Arzt und dem Apotheker. Bei Sonnenuntergang trugen sie die Körbe voller Goldzähne zu ihrer Baracke, wo sie das Gold herausnahmen und zu Barren einschmolzen. Ein Gestapo-Mann, Schmidt, bewachte sie und schlug sie, wenn die Arbeit zu langsam voran ging. Jeder Transport musste in zwei Stunden abgefertigt sein. Die Zähne wurden zu Barren geschmolzen, die einen Zentimeter dick, einen halben Zentimer breit und zwanzig Zentimeter lang waren.

Wertsachen, Geld und Dollars wurden jeden Tag aus dem Lagerhaus herausgenommen. Die SS-Männer sammelten die Sachen selber ein und packten sie in Koffer, die Arbeiter nach Bełżec, zum Hauptquartier trugen. Ein Gestapo-Mann ging voran, die jüdischen Arbeiter trugen die Koffer. Es war nicht weit, es war nur ein zwanzigminütiger Fussmarsch zu der Bełżec-Bahnstation. Das Lager Bełżec, das heisst die Folterkammer in Bełżec, wurde von dort kommandiert. Juden, die in der Verwaltung arbeiteten, sagten, dass die ganze aus Gold, Wertsachen und Geld bestehende Lieferung nach Lublin geschickt wurde; dort war das übergeordnete Hauptquartier, das auch über Bełżec bestimmte. Die zerrissenen Kleider der unglücklichen jüdischen Opfer wurden von Arbeitern eingesammelt und zum Lagerhaus getragen. Dort befanden sich zehn Arbeiter, die jedes Kleidungsstück sorgsam auftrennen mussten – unter Aufsicht von Peitschen und der SS, die das gefundene Geld unter sich aufteilte. Man nahm ausgewählte SS-Männer zur Bewachung; es waren immer dieselben. Die jüdischen Arbeiter, die die Kleidung sortierten und auftrennten, konnten nichts widerrechtlich an sich nehmen – und wollten es auch nicht. Was nutzen uns Geld und Wertsachen? Wir konnten nichts kaufen, und wir hatten keine Hoffnung, am Leben zu bleiben. Keiner von uns glaubte an ein Wunder. Jeder Arbeiter wurde sehr genau durchsucht, aber wir liefen häufig auf am Boden verstreuten Dollars herum, die man nicht bemerkt hatte. Wir bückten uns nicht einmal nach ihnen. Es war sinnlos und zu unserem Nachteil. Einmal hatte ein Schuhmacher absichtlich und offensichtlich fünf Dollar eingesteckt. Er und sein Sohn wurden zusammen erschossen. Er ging glücklich in den Tod – er hatte es nur noch zu Ende bringen wollen. Der Tod war sicher, warum sollte man also weiter leiden? Die Dollars in Bełżec halfen uns dabei, einfacher zu sterben.

Ich gehörte zum ständigen Todeskommando. Wir waren zusammen 500 Leute. Nur 250 davon waren „qualifizierte Arbeiter“, aber von diesen waren 200 mit Aufgaben beschäftigt, für die sie keine Spezialisten sein mussten: Sie gruben Gräber und schleppten Leichen. Wir hoben die Gruben aus – die riesigen Massengräber – und schleppten die Leichen. Zusätzlich zu ihrer Arbeit mussten die qualifizierten Arbeiter sich auch daran beteiligen. Wir gruben mit Schaufeln, und es gab auch eine Maschine, die Sand aushob. Diese Maschine warf den Sand neben das Grab. Ein Sandhügel entstand, der dazu verwendet wurde, die Gräber zu bedecken, wenn sie mit Leichen gefüllt waren. Ungefähr 450 Leute waren immer mit den Gräbern beschäftigt. Wir brauchten eine Woche, um ein Grab auszuheben. Das Schrecklichste für mich war, dass sie uns befahlen, die Leichen einen Meter über ein bereits volles Grab zu legen und noch mehr Sand aufzuladen – dann strömte dickes schwarzes Blut aus den Gräbern und bedeckte den ganzen Boden wie ein Meer. Wir mussten von einem Rand des Grabes zu dem nächsten laufen, um zu einem anderen Grab zu gelangen. Unsere Füsse versanken im Blut unserer Brüder, wir trampelten auf den Leichenhügeln – das war schrecklich, das Allerschlimmste…

Während der ganzen Arbeitszeit wurden wir von einem Verbrecher namens Schmidt beaufsichtigt, der uns schlug und trat. Wenn jemand – seiner Meinung nach – zu langsam arbeitete, dann befahl er ihm, sich hinzulegen und verpasste ihm 25 Hiebe mit seiner Peitsche. Er befahl ihm, zu zählen, und falls er sich verzählte, dann gab er ihm 50 anstatt 25. Fünfzig Schläge waren zu viel, als dass sie ein gequälter Mensch aushalten konnte. Das Opfer schleppte sich normalerweise zu den Baracken und starb am nächsten Morgen. Das passierte mehrmals am Tag.

Dazu wurden jeden Tag 30 bis 40 Arbeiter erschossen. Der Arzt legte normalerweise eine Liste der Erschöpften vor, oder der sogenannte „Oberzugsführer“, der oberste Vorarbeiter der Gefangenen, erstellte eine Liste mit „Missetätern“, so dass 30 bis 40 jeden Tag starben. Zur Mittagszeit wurden sie zu einem Grab geführt und erschossen. Der Bestand wurde aber jeden Tag aufgefüllt – die gleiche Anzahl von Leuten wurde aus den zahlreichen täglichen Transporten herausgenommen. Die Verwaltung hatte den Überblick über alte und neue Arbeiter und zählte sie, so dass die Häftlingszahl immer 500 ergab. Zahlen zu den Opfern der Transporte erhob man nicht.

Wir wussten zum Beispiel, dass Juden das Lager gebaut und die Todesmaschinerie in Betrieb gesetzt hatten. Aber aus dieser Brigade war niemand übrig. Es war ein Wunder, wenn jemand aus der Belegschaft fünf oder sechs Monate in Bełżec überlebte.

Die Maschine [der Motor] wurde von zwei askars betrieben, das waren immer dieselben Banditen: Sie waren da, als ich ankam, und sie waren da, als ich wegging. Die jüdischen Arbeiter hatten keinen Kontakt mit ihnen – und auch nicht mit anderen askars. Wenn Menschen aus dem Transport um einen Schluck Wasser bettelten, erschossen die askars jeden jüdischen Arbeiter, der ihnen welches gab.

Zusätzlich zum Ausheben der Gräber war es die Aufgabe des Todeskommandos, die Leichen aus den Kammern zu ziehen, sie auf einen grossen Haufen zu werfen und sie dann den ganzen Weg zu den Gräbern zu schleppen. Der Boden war sandig. Zwei Arbeiter waren nötig, um eine Leiche zu ziehen. Wir hatten Lederriemen mit Schnallen. Wir legten die Schnallen um die Arme der Leichen und zogen. Die Köpfe verfingen sich oft im Sand. Man befahl uns, die Leichen kleiner Kinder über unsere Schultern zu werfen – zwei auf einmal – und sie so wegzutragen. Wenn wir Leichen schleppten, dann hoben wir keine Gräber aus. Während wir Gräber aushoben, wussten wir, dass tausende unserer Brüder in den Kammern erstickten. Auf diese Weise mussten wir vom frühen Morgen bis zur Abenddämmerung arbeiten. Die Abenddämmerung beendete den Arbeitstag, da die „Arbeit“ nur bei Tageslicht getan wurde.

Um 3.30 Uhr morgens hämmerte der askar-Wachmann, der in der Nacht um die Baracken ging, schon an der Tür und schrie: „Auf! Heraus!“. Noch bevor wir überhaupt aufstehen konnten, stürzte der Verbrecher Schmidt herein und jagte uns mit seiner Reitgerte aus den Baracken. Wir rannten mit einem Schuh in der Hand oder barfuss heraus. Normalerweise zogen wir uns nicht aus (und wir schliefen sogar mit unseren Schuhen), da wir es nicht geschafft hätten, uns am Morgen anzuziehen.

Als sie uns am Morgen weckten, war es noch dunkel; Licht war nicht erlaubt. Schmidt rannte durch die Baracke und schlug nach links und rechts. Wenn wir aufwachten, dann war uns genauso elend zumute, und wir waren genauso erschöpft wie am Abend, wenn wir zu Bett gingen. Jeder von uns bekam eine dünne Decke, und man konnte sich entweder damit zudecken oder sie als Unterlage benutzten. Sie gaben uns alte, abgetragene Fetzen aus dem Lagerhaus – und wenn jemand auch nur aufseufzte, wenn er seinen bekam, dann bekam er einen Schlag ins Gesicht.

Am Abend brannte das Licht eine halbe Stunde lang. Dann wurde es ausgemacht. Der „Oberzugsführer“ schlich durch die Baracke mit einer Peitsche und erlaubte nicht, dass die Menschen miteinander sprachen. Wir redeten sehr leise mit unseren Nachbarn.

Die Belegschaft bestand zum Grossteil aus Personen, deren Frauen, Kinder und Eltern vergast worden waren. Viele hatten es geschafft, sich aus dem Lagerhaus einen Gebetsschal und Gebetsriemen zu besorgen, und wenn die Baracke für die Nacht abgeschlossen wurde, dann hörten wir in den Schlafkojen, wie der Kaddisch gemurmelt wurde. Wir beteten für die Toten. Dann war es ruhig. Wir beschwerten uns nicht; wir hatten uns komplett aufgegeben. Vielleicht hatten die fünfzehn „Zugsführer“ noch Illusionen – wir hatten keine.

Wir bewegten uns wie Menschen, die keinen Willen mehr hatten. Wir waren eine Masse. Ich kannte ein paar Namen, aber nicht viele. Es war vollkommen egal, wer jemand war und wie er hiess. Ich wusste, dass der Doktor ein junger Arzt aus der Nähe von Przemyśl war und Jakubowicz hiess. Ich traf auch einen Händler aus Krakau – Schlüssl – und seinen Sohn sowie einen tschechischen Juden namens Ellenbogen, von dem man sagte, dass er mit Fahrrädern gehandelt hatte; dazu einen bekannten Koch – Goldschmidt – aus dem Restaurant der Brüder Hanička in Karlsbad. Niemand interessierte sich für die anderen. Wir machten mechanisch die erforderlichen Bewegungen dieses schrecklichen Lebens.

Um zwölf Uhr mittags bekamen wir zu essen. Wir gingen in einer Reihe an zwei kleinen Fenstern vorbei. Beim ersten bekamen wir einen Becher, beim zweiten einen halben Liter Gerstensuppe – besser gesagt Wasser – manchmal mit einer Kartoffel darin. Vor dem Mittagessen mussten wir Lieder singen; wir mussten auch vor dem Kaffee am Abend singen. Gleichzeitig hörte man das Heulen der Menschen, die in den Kammern vergast wurden, spielte das Orchester, stand der Galgenturm gegenüber der Küche…

Das Leben der SS-Männer in der Stadt Bełżec und direkt am Ort des Bösen fand ohne Frauen statt. Sogar ihre Trinkgelage waren rein männlich. Die Arbeit wurde ausschliesslich von Männern gemacht. So war es bis Oktober. Im Oktober kam ein Transport tschechisch-jüdischer Frauen aus Zamość. Unter ihnen waren einige Dutzend Frauen, deren Männer im Todeskommando arbeiteten. Man entschied, dass man einige Dutzend Frauen aus diesem letzten Transport behalten würde. Man kommandierte 40 dazu ab, in der Küche, in der Wäscherei und in der Nähwerkstatt zu arbeiten. Man erlaubte ihnen keinen Kontakt zu ihren Ehemännern. In der Küche schälten sie Kartoffeln, wuschen Töpfe und holten Wasser. Ich weiss nicht, was aus ihnen geworden ist. Sie teilten sicher das Schicksal der anderen. Das waren alles gebildete Frauen. Sie waren mit Gepäck gekommen. Einige hatten Butterpäckchen bei sich. Sie gaben uns alles, was sie hatten. Und sie halfen jedem, der in der Küche oder in ihrer Nähe arbeitete. Sie wohnten in einer kleinen abgetrennten Baracke und hatten eine „Zugsführerka“ über sich. Während der Arbeit (ich hielt überall die Öfen instand und lief durch das ganze Lager) sah ich, wie diese Frauen miteinander sprachen. Sie wurden nicht so sehr misshandelt wie wir. Ihre Arbeit endete bei Abenddämmerung, und sie reihten sich zu zweit auf, um Suppe und Kaffee zu bekommen. Genauso wie uns hatte man ihnen weder ihre Kleidung weggenommen noch hatten sie gestreifte Uniformen bekommen. Es lohnte sich nicht, für so einen kurzen Zeitraum Uniformen einzuführen.

Die Frauen wurden direkt aus den Güterwaggons in ihren Kleidern und mit unrasierten Köpfen zu den Werkstätten und in die Küche geschickt. Aus den Fenstern der Küche und der Nähwerkstatt konnten sie jeden Tag sehen, wie die Todestransporte ankamen…

Das Todeslager produzierte Massenmorde am laufenden Band – jeden Tag von Neuem. An diesen Tagen herrschte allgemeine Massentodesangst und fand ein Massensterben statt. Dazu kamen Vorfälle mit individuellen, persönlichen Qualen. Ich erlebte das auch und wurde Zeuge davon. In Bełżec gab es nie eine Versammlung auf dem Platz. Das war nicht nötig. Das Horror-Schauspiel fand ohne Gruppenankündigungen statt.

Ich muss von dem Transport aus Zamość erzählen. Es war um den 15. November, als es schon kalt geworden war und Schnee und Schlamm den Boden bedeckten. Ein grosser Transport aus Zamość kam an – wie viele andere – inmitten eines heftigen Schneesturms. Im Transport war der gesamte Judenrat. Alle standen nackt da. Wie bei einem normalen Ablauf wurden die Männer zu den Kammern getrieben und die Frauen zu der Baracke, wo das Haar abrasiert wurde. Aber dem Vorsteher des Judenrates wurde befohlen, auf dem Platz zu bleiben. Als die askars den Transport in den Tod drängten, stand ein Aufgebot von SS-Männern um den Vorsteher des Judenrates. Ich kenne seinen Namen nicht. Ich sah einen Mann mittleren Alters, der so weiss wie eine Leiche war, aber vollkommen ruhig.

Dem Orchester wurden von den SS-Männern befohlen, auf den Platz zu kommen und Befehle abzuwarten. Das Orchester, das aus sechs Musikern bestand, spielte gewöhnlich auf der Fläche zwischen den Gaskammern und den Gräbern. Sie spielten ohne Pause auf Instrumenten, die sie den Ermordeten weggenommen hatten. Ich machte gerade Maurerarbeiten und sah sie alle. Die SS-Männer befahlen, dem Orchester Melodien zu spielen: „Es geht alles vorüber, es geht alles vorbei“ und „Drei Lilien, kommt ein Reiter gefahren, bricht die Lilien.“ 14 Sie spielten auf Geigen, Flöten und auf einem Akkordeon. Das dauerte eine Weile. Dann stellten sie den Vorsteher des Zamość-Judenrates an eine Wand und schlugen ihn mit den bleibeschlagenen Spitzen von Spazierstöcken, vor allem auf den Kopf und über das Gesicht, bis Blut floss. Irrman, der fette Gestapo-Mann Schwarz, Schmidt und einige askars führten die Folterung durch. Sie befahlen ihrem Opfer zu tanzen und zu ihren Hieben und zu der Musik zu springen. Nach einigen Stunden brachten sie ihm einen viertel Brotlaib und zwangen ihn unter Schlägen, das Brot zu essen. Er stand da, das Blut floss an ihm herunter, gleichgültig, ernst – ich hörte keinen einzigen Laut. Die Qual diese Mannes dauerte sieben Stunden. Die SS-Männer standen da und lachten: „Das ist eine höhere Person, Präsident des Judenrates“, riefen sie laut und mit einer gemeinen Wichtigtuerei. Erst um sechs Uhr abends stiess ihn der Gestapo-Mann Schmidt zu dem Rand eines Grabes, schoss ihm in den Kopf und trat ihn auf den Haufen der vergasten Körper.

Da waren weitere einzelne Vorfälle. Nicht lange, nachdem ich in Bełżec angekommen war, wurde ein junger Bursche zusammen mit einigen anderen aus einem Transport herausgenommen – ich weiss nicht, aus welcher Stadt (wir wussten nicht immer, von wo die Transporte kamen). Er war das Idealbild von Gesundheit, Kraft und Jugend. Wir staunten über seine gute Laune. Er schaute sich um und fragte fast fröhlich: „Und hat es schon jemand geschafft, hier herauszukommen?“ Mehr brauchte es nicht. Einer der Deutschen hatte es gehört, und sie folterten ihn zu Tode. Er war fast noch ein Kind. Sie zogen ihn aus und hängten ihn verkehrt herum an den Galgen. Er hing drei Stunden da. Er war stark und lebte noch. Sie schnitten ihn ab, streckten ihn auf dem Sand aus und stiessen ihm mit Stöcken Sand in seine Kehle. Er starb unter Höllenqualen.

Manchmal geschah es, dass ein grösserer Transport als üblich ankam. Es kam vor, dass anstatt 50 Waggons, 60 oder mehr ankamen. Nicht lange vor meiner Flucht im November mussten 100 Leute – sie waren schon nackt – aus so einem überfüllten Transport herausgenommen werden, um Leichen zu begraben, da die Gestapo berechnet hatte, dass das bestehende Kommando nicht damit fertig werden würde, so viele erstickte Leute in die Gräber zu legen. Sie wählten nur junge Burschen aus. Den ganzen Tag schleppten sie Leichen zu den Gräbern; sie wurden geschlagen, man gab ihnen keinen Tropfen Wasser zu trinken, und sie waren nackt im Schnee und in der Kälte. Am Abend führte sie der Verbrecher Schmidt zum Rand eines Grabs und erschoss sie mit einer Browning. Die Munition ging ihm aus, als noch mehr als ein Dutzend übrig waren – so tötete er einen nach dem anderen mit dem Griff einer Spitzhacke, bis keiner mehr übrig war. Ich hörte das Stöhnen nicht. Ich sah nur, wie diese hilflosen Elendsgestalten versuchten, sich in der Todesreihe zu überholen.

Das ganze Lager war unter ständiger Bewachung von askar-Postenketten und mehreren Dutzend SS-Männern. Aber die Aktiven waren wenige. Einige von ihnen stachen durch ihre besondere und ständige Grausamkeit hervor. Das waren Monster – mit dem Unterschied, dass einige kaltblütig schlugen und töteten und andere Freude am Morden hatten. Sie lächelten, und ich konnte sehen, wie glücklich sie waren beim Anblick nackter und von Bajonetten durchstochener Menschen, die in die Kammern gejagt wurden.

Sie hatten Freude daran, die verzweifelten, niedergeschlagenen Schatten der meist jungen Menschen anzuschauen. Wir wussten, dass der Hauptkommandant des Lagers in dem schönsten der Häuser neben der Bełżec-Bahnstation wohnte. Er war ein Obersturmführer, an dessen Namen ich mich nicht erinnern kann, obwohl ich weiter versuche, mir den Namen in meine Erinnerung zurückzurufen. Es war ein kurzer Name. Er tauchte nur selten im Lager auf; er kam nur in Zusammenhang mit irgendeinem Ereignis. Das war ein hochgewachsener Verbrecher, kräftig, über vierzig Jahre alt, mit einem vulgären Gesichtsausdruck – so musste ein wirklicher Bandit aussehen. Er war ein echter Dreckskerl.15

Einmal ging die Mordmaschine kaputt. Er wurde unterrichtet und kam auf einem Pferd angeritten, und er befahl, dass die Maschine repariert werden solle und liess die Menschen nicht aus den luftleeren Kammern. Er liess sie ersticken und einige Stunden länger qualvoll sterben. Er kauerte sich wütend hin, schrie und zitterte dabei am ganzen Körper. Obwohl er selten auftauchte, war er der Schrecken der SS-Männer. Er lebte alleine mit einem askar-Flügeladjutanten, der ihn bediente. Der askar überbrachte ihm jeden Tag Berichte. Der Hauptkommandant und viele der Gestapoleute hatten keinen regelmässigen Kontakt mit dem Lager. Sie hatten ihre eigene Kantine und einen Koch aus Deutschland, der für alle Deutschen kochte. Nie kam jemand aus ihrer Familie, keiner lebte mit einer Frau. Sie zogen ganze Gänse- und Entenscharen auf. Die Leute sagten, dass man ihnen im Frühling körbeweise Kirschen schickte. Kisten voller Wodka und Wein wurden täglich angeliefert.

Ich brachte die Öfen dort in Ordnung. Sie hielten sich da zwei junge jüdische Mädchen, um die Gänse zu rupfen – sie warfen mir eine Zwiebel und eine Art Rübe zu. Ich sah auch ein Dorfmädchen, das dort arbeitete, neben der deutschen Hilfskraft.

Jeden Sonntagabend versammelten sie das Lagerorchester und veranstalteten ein Trinkgelage. Nur die Gestapo-Leute trafen sich, sie frassen sich voll und tranken. Von den Essensresten warfen sie etwas den Musikern vor.

Wenn der Kommandant für einige Minuten im Lager auftauchte, sah ich, wie die Gestapo und die askars vor Furcht zitterten.

Abgesehen von ihm kümmerten sich Gestapo-Leute – vier weitere Banditen – um das Tagesgeschäft: Sie beaufsichtigten und leiteten das ganze Schlachthaus. Schwierig, sich schlimmere Teufel vorzustellen. Einer von ihnen war Fritz Irrman, ein Mann um die dreissig, ein Stabsscharführer, der Quartiermeister des Lagers, und ein Experte, wenn es darum ging, Kinder und alte Leute zu erschiessen. Er beging jede Grausamkeit mit stoischer Ruhe, er war undurchschaubar und schweigsam – jeden Tag sagte er den Verdammten, dass sie baden und dann arbeiten gehen würden. Ein gewissenhafter Krimineller.

[SS-]Oberscharführer Feix Reinhold [der die ukrainische Mannschaft befehligte] war auf eine andere Art grausam. Man sagte, dass er aus Gablonz an der Neisse komme, verheiratet und der Vater von zwei Kindern sei.16 Er sprach wie ein gebildeter Mensch. Er redete schnell. Wenn jemand ihn nicht gleich verstand, dann schlug er ihn und tobte schreiend herum. Einmal befahl er, die Küche zu streichen; ein jüdischer Doktor der Chemie führte den Befehl aus und stand ganz oben auf der Leiter unter der Decke. Er musste alle paar Minuten zu Feix herunterzukommen, der ihn dann mit seiner Reitgerte über das Gesicht schlug, so dass das Gesicht des Mannes anschwoll und voller Blut war. Auf diese Art machte er seine Arbeit. Feix erschien abartig. Er spielte Geige. Er befahl dem Orchester, das polnische Lied „Góralu, czyci nie żal?“ zu spielen, bis sie umfielen.17 Auf seine Anordnung mussten die Menschen singen und tanzen, und er benutzte sie als sein Spielzeug und folterte sie. Er war eine blindwütig rasende Bestie.

Und ich weiss nicht, wer teuflischer und grausamer war: Feix oder dieser fette, untersetzte, schwarzhaarige Mörder Schwarz (der tief aus dem Reich kam).18 Er kontrollierte, ob die askars auch ausreichend brutal zu uns waren und uns genug folterten. Er überwachte uns beim Ausheben der Gräber – das heisst, dass er uns nie einen Moment Atempause gönnte. Unter Schreien, mit der Peitsche, mit erbarmungslosem Zwang jagte er uns von den Gräbern zu den Kammern, wo die Leichenberge auf ihre Reise in die tiefen Gräber warteten. Er trieb uns dorthin und rannte zurück zu den Gräbern. Direkt am Rand der Gräber warteten sie und starrten stumpfsinnig in die Tiefe, mit einem verrückten Blick: die Kinder, die alten Menschen, die Kranken. Sie warteten auf den Tod. Sie konnten die Leichen und das Blut so lange anschauen, wie sie wollten und den Verwesungsgeruch einatmen, bis der blutrünstige Irrman sie mit Gewehrschüssen beseitigte. Schwarz fuhr währenddessen fort, alle zu schlagen. Es war verboten, das Gesicht vor den Schlägen zu schützen – „Hände ab!“ brüllte er und drosch mit Lust auf sie ein.

Der junge Volksdeutsche Heni Schmidt fand sogar noch mehr Vergnügen an seiner bestialischen Mission. Er war vielleicht ein Lette – er sprach ein komisches Deutsch und sagte „t“ anstatt „s“ („wat“ anstatt „was“). Mit den askars sprach er Russisch. Er mochte es nicht, auch nur einen Tag ausserhalb des Lagers zu verbringen. Flink, schnell auf den Beinen, dünn, mit einem Lumpengesicht, immer betrunken, rannte er von vier Uhr morgens bis zum Abend durch das Lager, verursachte Schmerzen, blickte starr und versunken auf das Leiden der Opfer und ergötzte sich daran. „Von allen Verbrechern ist er der schlimmste“, flüsterten die Häftlinge und fügten sofort hinzu, „Sie sind alle die Allerschlimmsten“. Wo immer die Menschen am meisten Qualen litten, war er der Erste, der auftauchte. Er war immer da, um die unglücklichen Opfer auf dem Weg zu den Kammern anzutreiben, er lauschte andächtig den schrillen, gellenden Schreien der Frauen, die aus den Kammern kamen. Er war die „Seele“ des Lagers – am meisten degeneriert, am monströsesten, am blutrünstigsten. Er blicke mit Vergnügen in die stumpfen Gesichter der Arbeiter, die nachts zu den Baracken zurückkehrten, grenzenlos erschöpft. Er konnte sich nicht zurückhalten und schlug jedem aus voller Kraft mit seiner Peitsche auf den Kopf. Wenn einer von uns es schaffte auszuweichen, dann jagte er ihm nach und liess ihn leiden. Diese Gestapo-Leute und andere, die weniger hervorstachen, waren eine Art Monster. Keiner von ihnen war auch nur für einen Moment menschlich.

Von sieben Uhr morgens bis zur Abenddämmerung folterten sie tausende Menschen auf verschiedenste Arten. Als es dunkel war, gingen sie zu ihren Häusern am Bahnhof zurück. Askars hielten Nachtwache bei den Maschinengewehren. Am Morgen empfing die Gestapo die Todestransporte.

Das grösste Ereignis für die Verbrecher war der Besuch von Himmler. Das war Mitte Oktober. Wir konnten sehen, dass die Gestapo-Kriminellen vom frühen Morgen an geschäftig herumliefen. Die ganze Routine tausende Menschen zu morden ging an diesem Tag schneller. Alles wurde in Eile gemacht. Irrman verkündete: „Es kommt eine höhere Person, muss Ordnung sein“. Sie sagten nicht, wer er war; aber jeder wusste es, da die askars untereinander darüber flüsterten.

Himmler kam gegen drei Uhr nachmittags mit Generalmajor Katzman, dem Chefmörder von Lemberg und des ganzen Distrikts; er wurde von einem Adjutanten und von zehn Gestapo-Männern begleitet. Irrman und die anderen führten die Gäste zu den Kammern, wo gerade Leichen herausfielen; von dort wurden sie an eine Stelle geworfen, an der ein schrecklicher Haufen junger und sehr kleiner Kinderkörper wuchs. Häftlinge schleppten die Leichen weg. Himmler sah zu – er schaute eine halbe Stunde und fuhr dann davon. Ich sah die Freude und die Hochstimmung der Gestapo, ich sah, wie zufrieden sie waren, wie sie lachten. Ich hörte, wie sie über Beförderungen redeten.

Ich weiss nicht, wie ich die Stimmung beschreiben soll, in der wir – die verdammten Häftlinge – lebten, oder was wir fühlten, wenn wir das entsetzliche Flehen der Menschen, die jeden Tag erstickt wurden, und die Schreie der Kinder hörten. Dreimal am Tag sahen wir tausende Menschen, die kurz davor waren, den Verstand zu verlieren. Und wir waren auch dem Wahnsinn nahe. Wir lebten von einem Tag auf den anderen, ohne zu wissen wie. Nicht einen Moment gaben wir uns einer Illusion hin. Jeden Tag starben wir ein wenig mit den ganzen Menschentransporten, die sich noch einmal für einen kurzen Moment einer quälenden Illusion hingaben. Apathisch und resigniert fühlten wir nicht einmal den Hunger und die Kälte. Jeder wartete, bis die Reihe an ihn kam und wusste, dass er auch sterben und unmenschlich leiden musste. Wenn ich aber hörte, wie die Kinder aufschrien – „Mama! Aber ich war lieb! Es ist dunkel! Es ist dunkel! – dann zeriss es uns das Herz. Aber gleich darauf kehrten wir zu unserer Gefühlslosigkeit zurück.

Ende November neigte sich der vierte Monat meines unglaublichen Aufenthaltes in Bełżec dem Ende zu.19 Der Verbrecher Irrman sagte mir eines Morgens, dass das Lager Metallblech brauche, sehr viel Metallblech. Ich war zu dem Zeitpunkt ganz angeschwollen und zerschlagen, und Eiter floss aus meinen Wunden. Gestapo-Mann Schmidt hatte mit einem Stock beide Seiten meines Gesichts zerschunden. Irrman informierte mich mit einem boshaften Lächeln, dass man mich nach Lemberg eskortieren würde, um das Blechmaterial zu bekommen, und er sagte „Sollst nicht durchgehen“.

Ich fuhr in einem Lastwagen mit vier Gestapo-Leuten und einem Wachmann dorthin. In Lemberg – nach einem ganzen Tag Aufladen von Metallblech – liess man mich alleine in dem Lastwagen mit einem Strolch zurück, der mich bewachte. Der Rest ging weg, um sich etwas zu amüsieren. Ich sass einige Stunden da, ohne zu denken oder mich zu bewegen. Dann bemerkte ich plötzlich, dass meine Wache eingenickt war und schnarchte. Reflexartig, ohne einen Moment nachzudenken, schlüpfte ich aus dem Lastwagen – der Gangster schlief immer noch. Ich stand auf dem Gehsteig, eine Weile noch tat ich so, als ob ich mich an etwas bei dem Metallblech zu schaffen machte, und dann ging ich langsam weg. Auf der Legionów-Strassse war viel los. Ich zog meine Mütze ins Gesicht. Die Strasse war dunkel, und niemand sah mich.

Ich erinnerte mich daran, wo meine Vermieterin wohnte, eine Polin, und ich machte mich auf den Weg dahin. Sie versteckte mich. Ich brauchte 20 Monate, um mich von all den Wunden an meinem Körper zu erholen. Nicht nur die Wunden. Bilder der Schreckens, die ich durchlebt hatte, peinigten mich. Egal, ob ich wach war oder schlief – ich hörte das Wehgeschrei der gefolterten Opfer. Und die Schreie der Kinder. Und das Röhren des Motors. Ich konnte die kriminellen Gesichter der Gestapo-Männer nicht aus meinem Gedächtnis verbannen. Ich hielt bis zum Moment der Befreiung durch.

Als die Rote Armee die deutschen Gangster aus Lemberg vertrieb, konnte ich in Gottes Welt zurückkehren. Ich konnte mich ohne Angst umsehen, frische Luft einatmen und das erste Mal seit der deutschen Gefangenschaft etwas denken und fühlen, und ich hatte das Verlangen danach, den Ort zu sehen, an dem zweieinhalb Millionen Menschen erstickt worden waren – Menschen, die leben wollten, leben.

Bald machte ich mich auf den Weg. Ich sprach mit den Leuten, die in der Umgebung wohnten. Sie sagten mir, dass 1943 immer weniger Transporte gekommen waren und dass man die Judenvernichtung hauptsächlich in die Gaskammern von Auschwitz verlegt hatte. 1944 öffnete man die Gruben, schüttete Benzin über die Leichen und verbrannte sie. Dichter schwarzer Rauch verbreitete sich Dutzende Kilometer um die riesigen Scheiterhaufen herum. Der Wind wehte den Gestank, der den Atem verschlug, lange Zeit über weite Entfernung weg – viele Tage und Nächte, viele Wochen.

Und später – sagten mir die Einheimischen – wurden die Knochen zermahlen, und der Wind verstreute den Staub über die Felder und Wälder. Ein Häftling namens Spilke, den man zu diesem Zweck aus dem Lager Janowska nach Bełżec gebracht hatte, errichtete eine Maschine zum Zermahlen von Menschenknochen. Er sagte mir, dass er dort nur Knochenhaufen vorgefunden hätte und dass alle Gebäude verschwunden waren. Später gelang es ihm zu entkommen und sich zu retten. Jetzt ist er in Ungarn. Er berichtete mir das, direkt nach der Befreiung von Lemberg durch die Rote Armee.

Als die Erzeugung „künstlichen Düngers“ aus Millionen menschlicher Knochen beendet war, wurden die aufgebrochenen Gräber zugeschüttet, und die Oberfläche des blutgetränkten Bodens wurde ordentlich und sorgfältig eingeebnet. Das kriminelle deutsche Monster sorgte für üppige Vegetation über dem jüdischen Millionengrab in Bełżec.20

Ich verabschiedete mich von meinen Informanten und ging den bekannten Weg der „Bahnspur“ entlang. Sie war nicht mehr dort. Auf dem Feld kam ich zu einem schön gedeihenden, wohlriechenden Kiefernwald. Jetzt war es sehr ruhig hier. In der Mitte des Waldes befand sich eine riesige, leuchtende Wiese.

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Zum Autor:

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Rudolf Reder wurde am 4. April 1881 in Dębica/Polen geboren. Die meiste Zeit seines Lebens verbrachte er in Lemberg/Lviv. Bis 1910 betrieb er dort eine Seifenfabrik. Er wurde während der August-Judendeportationen 1942 aus Lemberg in das Vernichtungslager deportiert – seine Frau, sein Sohn und eine Tochter wurden am gleichen Tag vergast (eine ältere Tochter überlebte den Krieg). Reder war zu der Zeit im Lager, als massenhaft Menschen ermordet wurden. Im November 1942 floh er und versteckte sich bei seiner ehemaligen Vermieterin, die er später heiratete. Er änderte 1949 seinen Namen in Roman Robak und verliess 1950 Polen (Krakau) zusammen mit seiner Frau. Sie lebten einige Monate in Israel und wanderten dann nach Kanada aus. Robak starb in den 1970er Jahren. Er war der einzige Zeuge, der bei den Münchner Bełżec-Prozessen 1963/64 in dieser Sache aussagte (die zweite Überlebende Sara Ritterbrand, die eine schriftliche Aussage gemacht hatte, reiste nicht an) – bis auf Josef Oberhauser, den Mitarbeiter des Lagerkommandanten Wirth, wurden alle Angeklagten, wegen einem sogenannten „Befehlsnotstand“ freigesprochen. http://de.wikipedia.org/Belzec-Prozess und http://www.deathcamps.org/belzec/belzectrials.html

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Das Vernichtungslager überlebten ein paar Dutzend Personen – die meisten flohen in der ersten Phase des Bestehens, d.h. zwischen Frühling und Sommer 1942. Ab Spätsommer 1942 gelang niemandem mehr die Flucht direkt aus dem Lager. Rudolf Reder konnte gemäss seinen Angaben aus Lemberg fliehen. Chaim Hirszman und Sylko Herc flohen aus einem Transport nach Sobibor. Hirszman schloss sich einer kommunistischen Partisaneneinheit an und wurde Mitarbeiter des sowjetischen Geheimdienstes NKWD, der die lokale Bevölkerung terrorisierte. Am 19. März 1946 sagte er vor einer Kriegsverbrechenskommission in Lublin zum Lager aus. Zu dieser Zeit herrschten in der Region bürgerkriegsähnliche Zustände: kommunistische Verbände, flankiert durch den NKWD, verhafteten und ermordeten Mitglieder polnischer nicht-kommunistischer Partisaneneinheiten. Kurz darauf wurde Hirszman von polnischen Partisanen ermordet. Herc besichtigte nach dem Krieg das Lager; was mit ihm geschah ist nicht bekannt.

http://www.jewishgen.org/yizkor/belzec1/bel100.html#87

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Rudolf Reder erlebte das Kriegsende und konnte als einziger ausführlicher über das Lager berichten.

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Im Jahr 1946 lebten nachweislich sechs Personen, die das Lager überlebt hatten.

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Literatur

Reder, Rudolf (1997): Bełżec. Fundacja Judaica. Państwowe Muzezm Oświęcim-Brzezinka. Kraków: Drukarnia Uniwersytetu Jagiellońskiego (enthält Reders Bericht auf Polnisch und Englisch).

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1 Der Bericht von Rudolf Reder umfasst den Zeitraum von August bis November 1942 – zu der Zeit fanden die Massenvergasungen statt. Sein Bericht über das Vernichtungslager erschien das erste Mal 1946 auf Polnisch in Krakau. Dieser von Jan Skorup im April 2014 übersetzte Text basiert auf dem Bericht in: Rudolf Reder. Bełżec. Fundacja Judaica. Państwowe Muzezm Oświęcim-Brzezinka. Kraków: Drukarnia Uniwersytetu Jagiellońskiego (1997). Das Lager wurde nach der gleichnamigen polnischen Ortschaft (damals ca. 4000 Einwohner) benannt. Der Ort liegt nahe der heutigen ukrainischen Grenze, ca. 60km westlich von Lemberg und ca. 110 km südöstlich der polnischen Stadt Lublin.

2 Bis zum Beginn des Zweiten Weltkrieges 1939 Bestandteil des polnischen Staates (Lwów). Heute Teil der Ukraine (Lviv). Im Lemberg wohnten 1939 ca. 110.000 Juden. Beim Einmarsch der Deutschen 1941 waren es ca. 220.000 – Juden, die aus dem von Deutschen besetzten Westteil Polens in den von der Sowjetunion besetzten Ostteil flohen, wählten oft Lemberg als ihr Endziel. Das Ghetto wurde im Juni 1943 liquidiert, nachdem der Grossteil der Bewohner bereits in Bełżec ermordet worden war. Die ersten Transporte aus Lemberg gingen im März/April 1942 in das Vernichtungslager.

3 Es gab vereinzelt weitere solche Vorfälle. Einem 13-jährigen Jungen namens Welsztein aus Zamość gelang es, sich zu verstecken als die Zamośćer Juden bei ihrer Ankunft am 11. April 1942 Widerstand leisteten. Am 13. kehrte der Junge nach Zamość zurück und informierte den Judenrat. Im Juni 1942 konnte der Krakauer Zahnarzt Bachner entkommen, der ebenfalls den Judenrat seiner Stadt informierte (http://www.jewishgen.org/yizkor/belzec1/bel100.html).

4 Fritz (Friedrich) Katzmann war von August 1941 bis April 1943 SS- und Polizeiführer von Galizien mit Sitz in Lemberg, und er war dafür verantwortlich, dass der Distrikt seit Juni 1943 „judenrein“ war. Ab 1944 war er Generalleutnant der Waffen-SS. Er lebte nach dem Krieg unter dem Pseudonym „Bruno Albrecht“ und starb unbehelligt 1957; http://de.wikipedia.org/wiki/Fritz_Katzmann

5 Durchgangs- und Vernichtungslager bei Lemberg. Gemäss sowjetischen Angaben 200.000 Tote (deutsche Angaben um die 50.000 Tote); http://en.wikipedia.org/wiki/Janowska_concentration_camp, und http://de.wikipedia.org/wiki/Zwangsarbeitslager_Lemberg-Janowska

6 Manche Autoren/Kommentatoren werfen Reder vor, dass er von der Gestapo, anstatt von der SS spricht. Warum er das tut, ist unbekannt.

7 SS-Scharführer Fritz Jierman, der für die ukrainische Wachmannschaft zuständig war (ca. 60 bis 80 Leute; andere Berichte sprechen von bis zu 200 Mitgliedern) – keine weiteren Detailinformationen zu seiner Person im Internet auf Deutsch bzw. Englisch.

8 Seine Frau, sein Sohn und eine Tochter waren auch darunter.

9 Zuerst waren drei Gaskammern in einer hölzernen Baracke in Betrieb. In der zweiten Jahreshälfte baute man ein Zementgebäude mit sechs Gaskammern. Auch der Gerstein-Bericht spricht von durchschnittlich 700 bis 800 Menschen in einer Kammer von 25 Quadratmetern (http://www.ns-archiv.de/verfolgung/gerstein/gerstein-bericht.php).

10 Der Gerstein-Bericht beschreibt noch den Prozess von Mitte August 1942 mit den drei Kammern, der etwas von Reders Informationen abweicht,. Reder gibt einen allgemeinen Abriss über die Zeit der Massenvergasung mit den sechs Kammern. Gersteins Besuch in der zweiten Augustwoche erwähnt Reder nicht – Reder war zu der Zeit eine knappe Woche im Lager.

11 Getötet wurde mittels der Abgase des Benzinmotors, der aus einem russischen Panzer herausgenommen worden war.

12 Einige Autoren werfen Reder vor, dass es keine Transporte niederländischer, griechischer und norwegischer Juden gegeben hat. Reder sagt jedoch wörtlich: „da waren auch“ und spricht nicht von einzelnen Transporten.

13 Die Zahlen gehen auseinander – normalerweise wird die Zahl von 100.000 für die Vernichtungslager Treblinka, Sobibor und Bełżec zusammen angenommen. Allgemein sind Zahlenangaben von Lagerhäftlingen immer höher als jene, die durch die Forschung generiert werden (siehe auch den Treblinka-Bericht von Jankiel Wiernik oder den Auschwitz-Bericht von Witold Pilecki).

14 Das erste Lied ist ein Walzer von Fred Raymond, gesungen von Lale Andersen (1941), die mit dem Lied „Lili Marleen“ (1939) berühmt wurde; http://de.wikipedia.org/wiki/Lale_Andersen und http://www.youtube.com/watch?v=klkLs4qquYs. Der Lilien-Text bzw. Titel ist nicht ganz korrekt dargestellt, siehe den Text des Liedes „Drei Lilien, drei Lilien“ (Minute 18.19) unter http://www.youtube.com/watch?v=BnaF4_LTovk

15 Das war SS-Sturmbannführer Christian Wirth, ein deutscher Polizeibeamter, der 1940/41 die Büroabteilungen von T4-Tötungsanstalten leitete. Im August wechselte er zur Aktion Reinhardt (so wurde die planmässige Vernichtung der polnischen Juden im Generalgouvernement genannt, siehe http://de.wikipedia.org/wiki/Aktion_Reinhardt). Wirth wurde erster Kommandant des Vernichtungslagers Bełżec, das seit November 1941 in Bau war, und im März 1942 in Betrieb ging, und er war ab ca. Ende Dezember dort. Ab August 1942 war er Inspekteur der Vernichtungslager der Aktion Reinhardt (Treblinka, Sobibor, Bełżec und Majdanek): Er reorganisierte die Lager nach seinen in Bełżec gemachten Erfahrungen. Ende 1942/43 war er für das Bekleidungswerk im Flughafenlager Lublin zuständig, in dem Habseligkeiten der Opfer zur Weiterverwendung für die SS sortiert wurden. Im November 1943 beaufsichtige Wirth die Aktion Erntefest, bei der ca. 43.000 jüdische Zwangsarbeiter im Distrikt Lublin am 3. November 1943 ermordet wurden; http://en.wikipedia.org/wiki/Aktion_Erntefest. Er wurde im Mai 1944 von Partisanen auf der Trasse Triest-Rijeka getötet; http://de.wikipedia.org/wiki/Christian_Wirth

16 Im Text Faix. Der Sudentendeutsche Reinholt Feix war später Kommandant des Lagers Budzyń (Dezember 1942 bis August 1943). Einige Details zu seinem Auftreten dort sind unter http://www.holocaustresearchproject.org/ar/labour%20camps/Budzyn/budzyn.html zu finden. Weitere Informationen über ihn hat Jack Terry (vormals Jakub Szabmacher) zusammengetragen, dessen Mutter und Schwester Feix am 8. Mai 1943 während einer Selektion erschoss. Gemäss Zeugenaussagen nahm er seinen kleinen Sohn mit ins Lager und liess ihn dort Häftlinge erschiessen. Feix beging Selbstmord in russischer Kriegsgefangenschaft, der Sohn 1980 Selbstmord. Siehe z.B.: http://de.wikipedia.org/wiki/Jack_Terry, http://www.youtube.com/watch?v=NEWHso76lLg, http://www.gelsenzentrum.de/jack_terry_flossenbuerg. htm oder http://www.welt.de/print-welt/article 334042/Sie-haben-uns-nicht-erwischt.html.

17 „Bergler, tut es dir nicht leid?“ – http://www.youtube.com/watch?v=uEvYmuK334k

18 Im Text Schwarz. SS-Oberscharführer Gottfried Schwartz war Ende 1941 zunächst unter Christian Wirth und ab Anfang August 1942 unter Gottlieb Hering stellvertretender Lagerkommandant und verantwortlicher Leiter für die Vergasung; ab März war er Lagerkommandant im Arbeitslager Dorohucza/Trawniki. Er wurde 1944 in Italien von Partisanen ermordet (siehe u.a. http://de.wikipedia.org/wiki/Gottfried_Schwarz_%28SS-Mitglied%29).

19 Das war schon kurz vor dem letzten grossen Transport vom 11. Dezember 1942. Danach fanden vor allem „Aufräumarbeiten“ statt – am 30. Juni 1943 wurden die letzten paar hundert Mitglieder des Todeskommandos nach Sobibor transportiert und dort erschossen. http://www.jewishgen.org/yizkor/belzec1/bel100.html

20 Abschliessende Gewissheit über die Gesamtzahl der Opfer gibt es nicht. Das sogenannte Höfle-Telegramm nennt 434.508 Opfer Ende Dezember 1942. Man muss aber Bedenken,dass eine Zählung im Lager selbst nicht mehr stattfand und das Höfle-Telegramm nur kumulierte Zahlen bereitstellt. http://de.wikipedia.org/wiki/H%C3%B6fle-Telegramm. Andere Quellen sprechen von bis zu einer halben Million Toten (das polnische IPN) oder sogar 600.000 (Karski und ander Autoren in Reder 1997).